Woher kommen Schmerzen beim Training? Welche Strukturen machen Probleme? - Eine Möglichkeit um Schmerzen beim Training zu reduzieren.
Kennst du das? Hochmotiviert besuchst Du ein Kraft-Training aber schon bei den ersten Bewegungen tun Dir die Glieder weh? Immer dann, wenn Du tiefer in die Bewegung gehst, zwickt es in den Beinen, Armen oder im Rücken. Du überwindest Dich, gehst bewusst in den Schmerz und glaubst den Versprechungen des Trainers, dass es bald besser wird. Eine Besserung tritt vielleicht ein, aber leider nur marginal. Du kämpfst dich tapfer durch die Übung und schmeißt das Gewicht am Ende weg, froh, dass dieser Trainingspart beendet ist. Danach erinnert Dich Dein eingeschnappter Körper 2-3 Tage leidvoll an das harte Training. Beim nächsten Mal ist es wieder das Gleiche. Irgendwann gestehst du dir ein, dass du weniger Gewicht nehmen muss und es graust Dich vor dem kommenden Training. – Muskelaufbau stellt man sich anderes vor!
Um das Thema Schmerz beim Training richtig zu begreifen, muss man wissen, dass ein Muskel in seinen Fähigkeiten ziemlich begrenz ist. Er kann sich lediglich unter den Einsatz von Kraft zusammenziehen, so wie, wenn man eine Ziehharmonika zusammendrückt. Nun hat ein Muskel keine elastischen Fähigkeiten. Hört die Kraft zu wirken auf, bleibt er in dem Zustand, in dem er gerade ist, so wie die Ziehharmonika zusammengezogen bleibt, wenn der Spieler aufhört sie zusammen zu drücken. Erst eine Kraft von außen zieht ihn wieder auseinander. Die Schöpfung hat dafür jeden Muskel mindestens einen Gegenspieler-Muskel bereitgestellt. Wenn sich der Gegenspieler sich zusammenzieht, zieht er seinen Kontrapart auseinander und umgekehrt. Die beiden sind wie Jing und Jang. Sie gehören zusammen und nur wenn das Zusammenspiel der beiden perfekt aufeinander abgestimmt ist, funktioniert die Bewegung einwandfrei. Wir lernen dieses Zusammenspiel in Säuglings- und Kleinkindalter. Ein Baby muss schon einige Monate trainieren, bis es eine Rassel sicher greifen und loslassen kann und es dauert meist mehr als ein Jahr bis es ohne Hilfe laufen kann, da bei dieser komplizierten Bewegung nicht nur wenige Muskelgruppen in Einklang koordiniert werden müssen, sondern der ganze Körper.
Doch zurück zum Training. Nehmen wir einmal an, wir wollen unserem Bizeps trainieren. Hierzu nehmen wir eine beliebig schwere Hantel in die Hand und beugen unseren Ellenbogen. Jetzt spannt sich der der Bizeps an und der Trizeps, der Gegenspieler des Bizepses auf der Oberarmrückseite sollte entspannt sein und durch die Bewegung des Bizeps-Muskels langgezogen werden. Was wir bei dieser Übung nicht gebrauchen können ist ein angespannter Trizeps, d.h. ein Trizeps, der weiter Kraft ausübt. Ein angespannter Trizeps würde es dem Bizeps schwer machen, den Arm anzuziehen. Der Arm wäre dann wie eine zusammengezogene Ziehharmonika, die von Innen mit einem marginal elastischen Band verspannt wäre. Zum Öffnen würde man enorme Kräfte benötigen. Wie wir im Blog "Was sind eigentlich Faszien“ gelernt haben, gibt an jeden Muskelansätzen und im faszialen Gewebe des Muskels Spindeln, die ständig den Zug am Muskel messen und zum Nervensystem senden. Ist der Zug zu groß, reagiert das Nervensystem als Warnung mit Schmerzen. Genau dies passiert nun bei unserem angespannten Trizeps. Er ist durch die Anspannung verkürzt und wird in diesem Zustand enorm unter Zug gesetzt. Die Muskelfasern halten den Druck locker stand, die übergroße Kraft wird deshalb voll auf die Sehnen und Faszien von Muskel und Gegenspieler übertragen. Die Warnung in Form von Schmerzreizen folgt postwendend und wird stärker je weiter der Bizeps angezogen wird und die Spannung am Trizeps erhöht wird. Irgendwann sind beide Muskel - und deren Sehnenstränge für die Übung viel zu stark angezogen und die Sehnen, als schwächste Strukturen in der Kraftkette beginnen zu reißen. Es kommt zu Mikrorissen, die in den nächsten Tagen ausheilen werden.
Was also bei den Übungen weh tut ist nicht nur der gerade trainierte Muskel, sondern auch die Sehnen und das fasziale Gewebe des angespannten Gegenspielers. Und was Du Dir in unserem Beispiel kaputt machst, sind nicht nur der Bizeps, sondern die Muskelansätze des Trizeps Muskels.
Das ist übrigens der Grund, weshalb ich ein Training unter Schmerzen ablehne und Worte wie „es geht schon noch“ oder „niemand hört auf“ beflissentlich überhöre. Wir sollten sehr genau unterscheiden, ob unser Muskel einfach müde vom harten Training ist, oder ob wir uns gerade selbst verletzen.
Es gibt einen osteopathischen Trick, bei dem ich nicht verstehe, warum dieser nicht generell in die Classes eingebaut wird und warum er nicht in den Fitness-Studios gelehrt wird: Es ist das Prinzip der isometrischen Kontraktion mit anschließend einsetzender Relaxation. Auf Deutsch: wenn ich einen überspannten Muskel ein paar Sekunden anspanne, ohne dass ich die Länge der Muskulatur verändere, also konstant in einer Belastung bleibe, und danach ein paar Sekunden den Muskel entlaste, dann entspannt sich der Muskel. Die Osteopathie nutzt diesen Effekt bei der MET (Musle Energie Technik) um verhärtete Muskulatur zu lösen. Wie wäre es, wenn man diese Technik nutzen würde, um verspannte Gegenspieler zu Beginn des Trainings zu lösen? Das Training würde um einiges leichter werden, weil die Gegenwehr des Gegenspielers wegfallen würde und wir würden unsere Sehnen und Faszien schonen. Außerdem wäre das Training schmerzfrei und würde viel mehr Spaß machen, sodass wir uns auf das nächste Training freuen und nicht mit Entsetzen an die nächste Pflichtstunde denken.
Also, es wird Zeit, diese verblüffend einfache Technik ins Training einzubauen:
Hier die Theorie:
Du machst deine Übung bis zum Schmerzeintritt
Dort frierst Du die Bewegung ein und leitest gleichzeitig die Gegenbewegung ein, ohne dass von außen eine Bewegung sichtbar ist. Spieler- und Gegenspieler-Muskel sind beide angespannt.
In dieser Haltung verharrst Du 5 Sekunden
Dann kehrst Du zum Ausgangspunkt der Übung zurück und entspannst beide Muskeln mindestens 3 Sekunden
Den Vorgang wiederholst Du 2-3-mal, wobei das Bewegungsausmaß bis zur Schmerzgrenze immer größer wird bis der Schmerz verschwunden ist.
Nehmen wir nochmals das Beispiel Bizeps Training. Du hast die Hantel in der Hand und bewegst sie nach oben. In dem Augenblick, in dem Du die ersten leichten Schmerzen verspürst, verharrst Du in der Bewegung und versuchst gegen die Anspannung die Hantel nach unten zu bewegen; - beide Muskeln müssen angespannt sein. In dieser Haltung verharrst du 5 Sekunden. Dann senkst du den Arm ab und versuchst ihn 3 Sekunden maximal zu entspannen. Diesen Vorgang wiederholst du 2-3 Mal. Jedes Mal wirst Du die Hantel etwas höher heben können bis die Schmerzen eintreten. Und dann ist der Schmerz auf einmal verschwunden. Den Rest der Trainingseinheit kannst du ohne Verletzungsrisiko und Schmerzen durchziehen und dich auf das nächste Training freuen.
Probiere es aus und schreibt mir, ob und wie es funktioniert hat.
Birgit Roppelt, Heilpraktikerin und Osteopathin aus Kolbermoor bei Rosenheim
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