Die Utopie "Schlaraffenland", von der die Menschheit schon immer träumt, ist heute Realität. Geht es uns jetzt dadurch besser?
Ich kann mich noch genau erinnern, als ich als Kind das erste Mal vom Schlaraffenland hörte. Es war genial: Essen, soviel man will, die Hähnchenkeulen fliegen einem in den Mund und überall, wo man hinblickt, gibt es Kuchen und alle Leckereien, die man sich nur vorstellen kann. Flüsse, in denen statt Wasser die köstlichsten Getränke fließen. Keine körperliche Arbeit, kein Lernen, kein Schweiß und Mühen. Genießen gilt als die höchste Tugend. Und wenn man sich krank, alt oder gebrechlich fühlt, gibt es einen coolen Jungbrunnen, in dem man einfach drei Tage verweilt, um dann frisch, jung, hübsch und energiegeladen wieder aus dem Brunnen zu hüpfen.
Für mich als Kind war das wie das Paradies. Geil, super, absolut erstrebenswert. -Heute sehe ich das differenzierter…
Generell faszinierte die Idee im absoluten Überfluss zu leben schon in der Antike und taucht in vielen Gesellschaften auf. In Deutschland war die Idee des Schlaraffenlandes im 16. Jahrhundert in großer Mode. Für die Menschen damals hatte das Bild des Schlaraffenlandes eine besondere Faszination, weil ein ausreichendes Nahrungsangebot keineswegs die Regel war und Hungerzeiten häufig vorkamen. Arbeit galt vielfach als Plage, der man sich um des nackten Überlebens willen unterziehen musste und die kaum Zeit für Muße ließ.
Auch heute bezaubert die Idee des Schlaraffenlandes immer noch, so ist z.B. das weihnachtliche Lebkuchenhaus ein Bild aus dem Schlaraffenland. Filme nehmen die Motive auf, wie bei Charlie und die Schokoladenfabrik in der es Süßigkeiten zum Abwinken gibt. Auf den Zug des Jungbrunnens springen viele auf: Fitness-Studios, Diäten, Anti-Falten-Cremes, Schönheitsoperationen etc.
Es gibt ein Bild von Pieter Brueghel dem Älteren über das Schlaraffenland, das um 1567 entstand. Es hat für mich visionäre Aspekte in das 21. Jahrhundert:
Die Menschen auf dem Bild sind verfettet, müde und schlapp und eigentlich für nichts mehr zu gebrauchen. Richtig gesund sehen sie nicht aus. Ein bisschen wie Junkies. Nach dem Verdauungsschlaf warten auf die Genießer schon die nächste Nahrung und der nächste Schlaf…. Ist das nicht ein fast hellseherischer Blick in unsere heutige Zeit? Wenn wir ehrlich sind, ist das Schlaraffenland keine Utopie mehr, sondern de facto real bei uns angekommen. Supermärkte, Foodtrucks, Restaurants, Bäckereien gibt es heute überall. Sie bieten uns nahezu alles, was wir wollen. Die Hähnchenschenkel, Pizzen und Getränke fliegen uns heute per Lieferservice ins Haus.
Wir können uns alles kaufen, was wir uns wünschen. Essen ist für alle erschwinglich und sofort verfügbar. ja, uns geht es sogar noch besser als sich die Leute des 16. Jahrhunderts ausmalen konnten: Wir müssen uns nicht draußen auf dem harten Boden dösen. Wir haben weiche Sofas in denen wir gesättigt versinken können und werden dank Fernseher oder Internet beim Essen oder Ausruhen zusätzlich unterhalten. Durch unsere Bürojobs und insbesondere das Homeoffice werden wir nicht genötigt uns viel zu bewegen und Küchenmaschinen, Staubsauger, Waschmaschinen, Spülmaschinen und alle möglichen Werkzeugmaschinen erleichtern uns die schweren körperlichen Arbeiten.
Das viele Essen in Kombination mit wenig Bewegung lassen uns irgendwann so aussehen, wie die Personen auf dem Bild von Pieter Breughel dem Älteren. Laut RKI sind ca. 62% der Männer und 46% der Frauen in Deutschland zu schwer und auch viele Kinder leiden schon unter Übergewicht.
Es gibt eine Verfilmung über das Schlaraffenland, in dem der armer Paul, den Weg ins Schlaraffenland findet. Paul ist erst fasziniert von dem Überangebot. Dann aber erkennt er Nachteile und die Lethargie, die abstumpft und sucht verzweifelt den Weg zurück. Nur mit Mühen findet er den Ausweg aus dem verführerischen Land.
Unser Problem ist, dass wir heute in einem Schlaraffenland leben, aus dem es kein Weg zurückgibt. Das Dilemma ist, dass die ständig verfügbare kohlenhydratlastige Nahrung und unser Lebensstil nicht den natürlichen Umständen entsprechen, an die wir uns innerhalb von Millionen von Jahren angepasst haben. Der menschliche Körper und Geist sind ideal dazu angepasst, um sich zu bewegen und anzustrengen, weil die Spezies Mensch die Jahrmillionen nicht überlebt hätte, wenn sie keine Nahrung herangeschafft hätte. Genauso verfügt unserer über ausgeklügelte Systeme, um lange Hungerzeiten optimal zu überstehen. Unser Körper ist so sehr an Anstrengung und regelmäßige Hungerperioden angepasst, dass er diese sogar nutzt, um sich innerlich zu reinigen und zu erneuern. Somit sind die Hungerzeiten in Kombination mit ermüdender Bewegung wie Sport die echten Jungbrunnen!
Der Mensch musste sich Jahrtausende lang regelmäßig um frische Nahrung bemühen. Nahrung gab es kaum auf Vorrat. Es gab Fleisch, Fisch, Eier, Wurzeln und Früchte. Dafür sind wir angepasst. Nicht an lange haltbares Designfood wie Chips, Gummibärchen, Cerealien, Brot und Kuchen. Kohlehydrate gab es nur im Herbst im Überfluss, wenn die Früchte reif wurden. Das waren selten verfügbare Delikatessen. Der Körper interpretiert deshalb einen hohen Kohlehydratkonsum als „Herbst-Signal. Im Herbst heißt es einlagern, weil danach mit Sicherheit die Hungerperiode Winter anschließt. Also schaltet er bei erhöhtem KH-Verzehr die körpereigene Fettverbrennung aus und lagert alles als Fett ein. Man nimmt unweigerlich zu. Deshalb können wir auch nicht genug von den Kohlehydraten bekommen, weil der Verzehr des seltenen Guts einen Überlebensvorteil schaffte. Der Drang Kohlehydrate zu essen, ist ein sehr altes Überlebensprogramm, das nicht innerhalb von 50 Jahren ständiger KH-Verfügbarkeit einfach ausgeschaltet werden kann.
Das Programm läuft heute genauso ab. – Nur, aufgrund der immer zur Verfügung stehenden Kohlehydrate befindet sich der Körper in einem immer währenden Herbst, bei dem der Winter mit Hungerperioden ausfällt. Wir wären aber mit unserem überreichen Fettpolster supergut vorbereitet.
Leider gibt es für uns, anders als bei Paul, keinen Ausgang aus dem verführerischen Nahrungsparadies. Wir leben in der Welt des Nahrungs-Überangebots und müssen uns den in uns herrschenden Mechanismen bewußt sein. Da wir keinen natürlichen Regelmechanismus dafür haben, sollten wir uns mit ausgeklügelten Strategien helfen um dem ständig vorhandenen Nahrungsangebot zu widerstehen und die kohlehydratreiche Kost auf ein individuelles Optimum zu reduzieren. – Einige Ideen habe ich gesammelt und werde sie im nächsten Beitrag teilen.
Birgit Roppelt,
Naturheilkunde & Osteopathie für Rosenheim und Umgebung
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Toller Artikel über das Schlaraffenland und den daraus resultierenden Wohlstandskrankheiten!